Wahre Christliche Religion #11

Durch Emanuel Swedenborg

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11. IV. Die Nationen und Völker sind in ihren Ansichten über das Wesen dieses einen Gottes aus verschiedenen Ursachen voneinander abgewichen und tun es noch.

Die erste Ursache dieser Erscheinung besteht in folgendem: Eine wirkliche Erkenntnis Gottes und eine darauf beruhende Anerkennung Gottes ist ohne Offenbarung nicht möglich. Solche Erkenntnis des Herrn, die die Anerkennung bewirkt, „dass in ihm die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt.“

(Kolosser 2:9), kann nur aus dem Wort Gottes, der Krone der Offenbarung, hervorgehen. Denn der Mensch kann auf Grund der ihm gegebenen Offenbarung Gott entgegenkommen und seinen Einfluss aufnehmen, um auf diese Weise aus einem natürlichen ein geistiger Mensch zu werden. Es hat zwar eine Uroffenbarung gegeben, die über den ganzen Erdkreis verbreitet war, aber durch den natürlichen Menschen war sie in vielfacher Weise verkehrt worden, wodurch die Meinungsverschiedenheiten, Uneinigkeiten, Irrlehren und Spaltungen in den Religionen entstanden.

Die zweite Ursache ist folgende: Der natürliche Mensch kann von Gott nichts wahrnehmen und sich aneignen, sondern nur von der Welt. Eine der Grundlehren der christlichen Kirche besagt deshalb, dass der natürliche Mensch dem geistigen feind sei und sie einander bekämpfen. So kam es und kommt es zu den Meinungsverschiedenheiten über die Beschaffenheit Gottes und seine Einheit bei denen, die aus dem Wort des Herrn oder aus einer anderen Offenbarung erkannt haben, dass es Gott gibt. Darum machten sich jene, deren geistige Schau zwar von ihren Sinnen abhängig war, die aber dennoch Gott sehen wollten, Bilder aus Gold, Silber, Stein oder Holz, um beim Anblick dieser sichtbaren Gegenstände Gott zu verehren. Andere, die dies aus religiösen Gründen verwarfen, stellten sich Gott unter dem Bild der Sonne und des Mondes, der Gestirne und vieler anderer irdischer Dinge vor. Wieder andere, die sich zwar weiser dünkten als der gemeine Haufen, dennoch aber natürliche Menschen blieben, erkannten wegen der Unermesslichkeit und Allgegenwart Gottes bei der Erschaffung der Welt die Natur als Gott an, wobei einige von ihnen an die Natur in ihrem Innersten, andere an sie in ihrem Äußersten dachten. Wieder andere erdachten, um Gott von der Natur zu trennen, ein Allerallgemeinstes, das sie das Wesen oder die elementare Ursache des Universums nannten. Weil sie aber nichts weiter von Gott wissen, wird dieses Wesen bei ihnen zu einem reinen Gedankending, dem keinerlei wirkliche Bedeutung zukommt.

Wer vermöchte nicht einzusehen, dass die Kenntnisse von Gott wie Spiegel Gottes sind? Wer nichts von Gott weiß, sieht gleichsam die Rückseite des Spiegels, die mit Quecksilber oder schwarzem Belag überzogen ist und das Bild nicht zurückwirft, sondern aufsaugt. Der eigentliche Glaube an Gott wird dem Menschen auf einem inneren Weg – unabhängig von jeder Erfahrung – vermittelt, nämlich von der Seele her in die oberen Gebiete seines Verstandes. Die Kenntnisse von Gott hingegen erlangt der Mensch auf dem äußeren Wege – nach gemachter Erfahrung – da sie mittels der Sinne des Körpers vom Verstand aus dem offenbarten Wort geschöpft werden. Diese beiden Formen des Einflusses treffen in der Mitte des Verstandes zusammen, und hier wird der natürliche Glaube, der eigentlich nur eine Überredung ist, zu einem geistigen Glauben umgestaltet, der wirkliche Anerkennung bedeutet. Der menschliche Verstand ist daher wie eine Wechselbank, in der der Umtausch stattfindet.

  
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