10057. „Und nimm den anderen Widder“, 2 Mose 29:19, bedeutet den folgenden Zustand, welcher der des göttlich Wahren ist, das hervorgeht aus dem göttlich Guten des Herrn in den Himmeln.
Dies erhellt aus dem, was vorausgeht und was nachfolgt. In dem Vorausgehenden wurde von dem Schlachtopfer (vom jungen Stier) und von dem Brandopfer (vom ersten Widder) gehandelt. Im Nachfolgenden aber wird von dem zweiten Widder gehandelt und von der Füllung der Hände durch ihn, und dann erst von dem Schlachtopfer (von dem jungen Stier) und dem täglichen Brandopfer (von Lämmern).
Wer, der aus einer etwas erleuchteten Vernunft denkt, kann nicht sehen, daß in allen diesen Handlungen himmlische Geheimnisse liegen? Denn wozu wären sonst die Schlachtopfer und Brandopfer samt ihren vielen Zeremonien gewesen? Zum Beispiel daß der Altar mit Blut übergossen werden sollte, daß Blut auf das Ohrläppchen, den Daumen der Hand und die große Zehe des Fußes Aharons und seiner Söhne und auch an ihre Kleider gestrichen werden, und daß zum Schlachtopfer das Fett der Eingeweide, der Leber und der Nieren mit den Nieren selbst angezündet werden sollte auf dem Altar, während das übrige mit Feuer verbrannt werden sollte außerhalb des Lagers oder gegessen werden, und daß beim Brandopfer die Eingeweide und die Schenkel auf die Stücke und auf das Haupt gelegt und angezündet werden sollten? Wozu ferner, daß das, was vom zweiten Widder ist, zuerst in den Händen Aharons und seiner Söhne gewebt und einige Teile davon gegessen werden sollten? Möge doch, wer da will, darüber nachdenken, ob nicht dies lauter irdische Dinge wären, wenn sie nicht heilige Geheimnisse in sich schlössen. Und wenn es heilige Geheimnisse sind, so müssen es notwendig solche sein, die sich auf den Himmel und auf die Kirche beziehen und im höchsten Sinn auf den Herrn; denn diese Dinge allein sind heilig, weil göttlich.
Wenn man glauben muß, daß das Wort heilig sei und im ganzen und einzelnen vom Göttlichen (oder von Gott) eingegeben, so muß man auch glauben, daß alles und jedes, was über die Schlacht- und Brandopfer angeordnet wurde, inwendig solche (Geheimnisse) umfaßt und enthält. Was sie aber enthalten, kann man durchaus nicht auf Erden wissen, wenn man nicht weiß, was durch solche Dinge im Himmel bezeichnet wird. Was aber durch sie bezeichnet wird, lehrt der innere Sinn des Wortes, weil dieser die Entsprechungen enthüllt; denn alles, was in der natürlichen Welt ist, steht in Entsprechung mit dem, was in der geistigen Welt ist, und dies darum, weil jene aus dieser entsteht und besteht.
Was aber die Schlacht- und Brandopfer, die in diesem Kapitel beschrieben werden, in sich schließen, soll infolge der Enthüllung der Entsprechungen durch den inneren Sinn der Reihe nach gesagt werden.
Im höchsten Sinn, in dem alles Heilige und Göttliche enthalten ist, wird von der Verherrlichung des Menschlichen des Herrn gehandelt und im vorbildlichen Sinn von der Wiedergeburt des Menschen. Der Vorgang der Verherrlichung des Menschlichen des Herrn und der Wiedergeburt des Menschen wird vollständig beschrieben durch das, was in betreff der Schlacht- und Brandopfer befohlen worden ist. Damit aber dieser Vorgang begriffen werde, darf ich ihn durch solche Vorstellungen erläutern, die für den Verstand des Menschen faßlich sind.
Es ist bekannt, daß die Dinge, die von den Augen gesehen und von den Ohren gehört werden, innerlich im Menschen wahrgenommen werden und gleichsam aus der Welt durch die Augen und durch die Ohren in den Gedanken, somit in den Verstand übergehen, denn der Gedanke ist Sache des Verstandes, und wenn es Dinge sind, die geliebt werden, so gehen sie in den Willen über und hernach von dem Willen auf dem Verstandeswege in die Rede des Mundes und auch in die Handlung des Körpers. Ein solcher Kreislauf der Dinge findet aus der Welt durch den natürlichen Menschen in dessen geistigen statt, und von diesem wiederum in die Welt. Man muß jedoch wissen, daß dieser Kreislauf vom Willen, der das Innerste des Lebens im Menschen ist, angeordnet wird, und daß er in demselben anfängt und durch denselben vollbracht wird. Der Wille des Menschen aber, der im Guten ist, wird aus dem Himmel vom Herrn geleitet, obwohl es anders erscheint. Es besteht nämlich ein Einfluß aus der geistigen Welt in die natürliche, also durch den inneren Menschen in den äußeren, aber nicht umgekehrt; denn der innere Mensch ist im Himmel, der äußere hingegen in der Welt.
Weil dieser Kreislauf der Kreislauf des menschlichen Lebens ist, deshalb wird der Mensch, wenn er wiedergeboren wird, in Gemäßheit desselben wiedergeboren, und wenn er wiedergeboren ist, lebt und handelt er demselben gemäß. Deswegen werden auch, wenn der Mensch wiedergeboren wird, durch das Gehör und das Gesicht die Glaubenswahrheiten eingeflößt und dem Gedächtnisse seines natürlichen Menschen eingepflanzt. Aus diesem Gedächtnis werden sie in das Denken gebracht, das Sache des Verstandes ist, und was geliebt wird, wird Sache des Willens, und in dem Maße wie es Sache des Willens wird, wird es Sache des Lebens, denn der Wille des Menschen ist sein eigentliches Leben. Und soweit es Sache des Lebens wird, soweit wird es Sache seiner Neigung, somit der Liebtätigkeit in dem Willen und des Glaubens im Verstande. Nachher redet und handelt der Mensch aus diesem Leben, das ein Leben der Liebtätigkeit und des Glaubens ist. Aus der Liebtätigkeit, die Sache des Willens ist, geht die Rede des Mundes hervor und auch die Handlung des Körpers und beides auf dem Verstandeswege, somit auf dem Wege des Glaubens.
Hieraus erhellt, daß der Kreislauf der Wiedergeburt des Menschen ähnlich ist dem Kreislauf seines Lebens im allgemeinen; und daß jener gleicherweise im Willen durch den Einfluß aus dem Himmel vom Herrn stattfinde. Es geht hieraus auch deutlich hervor, daß zwei Zustände sind bei dem Menschen, der wiedergeboren wird: der erste, wenn die Glaubenswahrheiten eingepflanzt und mit dem Guten der Liebtätigkeit verbunden werden; der zweite, wenn er aus dem Guten der Liebtätigkeit durch die Glaubenswahrheiten redet und diesen gemäß handelt. Daß also der erste Zustand aus der Welt durch den natürlichen Menschen zu dem geistigen, somit zum Himmel hinführt, der andere aber aus dem Himmel durch den geistigen Menschen zu dem natürlichen, somit zur Welt hinführt. Dieser Kreislauf ist der Kreislauf der Wiedergeburt des Menschen und daher der Kreislauf seines geistigen Lebens. Über diese beiden Zustände des Menschen, der wiedergeboren wird, sehe man das Nr. 9274 Angeführte.
Aus dem Gesagten kann man sich eine Vorstellung von der Verherrlichung des Herrn machen, denn so wie der Herr Sein Menschliches verherrlichte, so gebiert Er den Menschen von neuem, und darum ist, wie früher schon einige Male gesagt wurde, die Wiedergeburt des Menschen ein Bild der Verherrlichung des Herrn.
Hieraus erhellt, daß der erste Zustand Seiner Verherrlichung darin bestand, daß Er Sein Menschliches zum göttlich Wahren machte und es mit dem göttlich Guten, das in Ihm war, vereinigte; und daß der andere Zustand darin bestand, daß Er aus dem göttlich Guten durch das göttlich Wahre handelte; denn durch das göttlich Wahre, das aus dem göttlich Guten des Herrn hervorgeht, wird der Himmel und wird auch die Kirche gegründet, und durch dasselbe werden alle wiedergeboren, die der Kirche angehören.
Das ist es, was durch die Schlacht- und Brandopfer und ihre Zeremonien, von denen in diesem Kapitel die Rede ist, beschrieben wird. Durch das Schlachtopfer von dem jungen Stier und durch das Brandopfer von dem ersten Widder wird der erste Zustand beschrieben und durch die Füllungen der Hände von dem zweiten Widder der zweite Zustand; und zuletzt wird durch das Schlachtopfer von dem jungen Stier und durch das Brandopfer die Fortsetzung desselben bezeichnet.
Man muß nämlich wissen, daß bei dem Menschen, der wiedergeboren wird, die Reinigung vom Bösen und vom Falschen durchaus beständig fortwährt; denn in dem Maße wie der Mensch vom Bösen und Falschen gereinigt wird, werden ihm Glaubenswahrheiten eingepflanzt und diese mit dem Guten der Liebtätigkeit verbunden, und insoweit handelt dann der Mensch aus dem Guten der Liebtätigkeit. Die Reinigung von dem Bösen und Falschen beim Menschen ist aber keine Befreiung von denselben, sondern nur ihre Entfernung; man sehe Nr. 868, 887, 894, 929, 1581, 2269, 2406, 4564, 8206, 8393, 8988, 9014, 9333, 9446-9451, 9938. Beim Herrn fand dagegen keine Entfernung statt, sondern eine Ausstoßung dessen, was Er von der Mutter her hatte, also eine völlige Befreiung von demselben, und zwar in solchem Grade, daß Er nicht mehr der Sohn der Maria war; man sehe das Nr. 9315 Angeführte.
Dies wurde vorausgeschickt, damit man wisse, was durch das Füllen der Hände vom zweiten Widder, von dem nun folgt, bezeichnet wird.