326. Das soll nun im einzelnen betrachtet und nachgewiesen werden.
1.) Manche mögen denken, Menschen, die Gott nicht anerkennen, könnten ebenso gut selig werden, wie Menschen, die Gott anerkennen. Voraussetzung sei nur, daß sie ein sittlich einwandfreies Leben führen. Sie argumentieren: „Was bewirkt schon die Anerkennung ? Ist sie nicht nur ein Gedanke ? Könnte ich Gott nicht leicht anerkennen, wenn ich nur sicher wäre, daß er ist ? Zwar habe ich von ihm gehört, ihn aber nicht gesehen. Mach‘, daß ich ihn sehe, so will ich glauben !“ So argu-mentieren viele Gottesleugner, wenn sie sich einem gläubigen Menschen gegenüber frei äußern dürfen. Die Anerkennung Gottes aber verbindet, die Leugnung Gottes trennt. Das soll durch einige Erfahrungen veranschaulicht werden, die ich in der geistigen Welt machen durfte. Wenn dort jemand an einen anderen denkt und mit ihm sprechen möchte, stellt sich ihm dieser umgehend als gegenwärtig dar. Das ist in der geistigen Welt eine allgemeine Erscheinung und bleibt nie aus, weil es dort keine Entfernung gibt wie in der natürlichen Welt, sondern nur den Anschein von Entfernung.
2. Eine weitere Erfahrung: Bewirkt das Denken an einen Menschen aufgrund einiger Kenntnis desselben seine Gegenwart, so die Liebe durch eine Neigung zum anderen eine Verbindung mit ihm. Darauf beruht es auch, daß sie übereinstimmen und als Freunde miteinander reden, im selben Hause wohnen und zur selben Gesellschaft gehören, häufig zusammenkommen und sich gegenseitig beistehen. Es gibt aber auch das Gegenteil, nämlich daß jemand, der einen anderen nicht liebt, ja womöglich haßt, den Betreffenden weder sieht noch je mit ihm zusammentrifft, weil er im selben Grad von ihm entfernt ist, wie er ihn nicht liebt oder haßt. Selbst wenn dieser gegenwärtig wäre und er sich dann des Hasses erinnert, wird er für ihn unsichtbar.
3. Diese wenigen Beispiele zeigen, wie in der geistigen Welt Gegenwart und Verbindung entstehen - Gegenwart aus der Erinnerung an den anderen, verbunden mit dem Wunsch, ihn zu sehen, und Verbindung durch eine Neigung der Liebe. Dasselbe gilt für alles im menschlichen Gemüt: Unzähliges liegt darin verborgen, und die Einzelheiten sind zusammengesellt und verbunden wie sie mit den Neigungen oder der Liebe übereinstimmen, die sie zueinander fühlen.
4. Die Verbindung ist geistiger Art und bleibt sich gleich im Großen wie im kleinen; sie beruht im allgemeinen wie im einzelnen auf der Verbindung des Herrn mit der geistigen undder natürlichen Welt. Damit ist klar: soweit jemand den Herrn kennt und aufgrund der Erkenntnis an ihn denkt, ist ihm der Herr gegenwärtig, soweit er ihn aber aufgrund einer Neigung seiner Liebe anerkennt, ist der Herr mit ihm verbunden. Umgekehrt: wie weit jemand den Herrn nicht erkennt, insoweit ist dieser abwesend, und inwieweit jemand den Herrn leugnet, insoweit ist er von ihm getrennt.
5. Das Ergebnis der Verbindung besteht darin, daß der Herr das Antlitz des betreffenden Menschen sich zuwendet und ihn dann führt; die Trennung hingegen bewirkt, daß die Hölle sich sein Antlitz zuwendet und ihn führt. Darum wenden alle Engel ihr Antlitz dem Herrn als der Sonne des Himmels zu, alle Geister der Hölle aber wenden es vom Herrn ab. Damit ist die Wirkung von Anerkennung oder Leugnung des Herrn klar. Jene, die Gott in ihrem irdischen Leben geleugnet hatten, leugnen ihn auch nach dem Tode. Ihre Einordnung geschieht, wie oben in 319 beschrieben. Diese Einordnung bleibt in Ewigkeit.
6. 2.) Jeder Mensch erkennt Gott an und wird mit ihm verbunden in Übereinstimmung mit dem Guten seines Lebens. Alle Menschen, die nur etwas von Religion verstehen, können Gott erkennen und auch aufgrund ihres Wissens oder Gedächtnisses von Gott reden. Einige können sogar aus Einsicht über Gott denken. Doch das bewirkt nur Gegenwart, sofern man nicht auch ein gutes Leben führt. Man kann sich nämlich nichtsdestoweniger von ihm abund zur Hölle wenden, was auch tatsächlich geschieht, wenn man ein böses Leben führt. Nur Menschen, die ein gutes Leben führen, können Gott von ganzem Herzen anerkennen. Diese wendet der Herr von der Hölle ab und sich zu, entsprechend dem Guten ihres Lebens, weil nur sie Gott lieben; denn indem sie tun, was von Ihm ausgeht, lieben sie das Göttliche. Die Vorschriften Seines Gesetzes sind das, was von Ihm kommt, ja sind Gott, weil er eins ist mit dem, was von Ihm ausgeht. Das also heißt, Gott lieben, darum sagt der Herr:„Wer meine Gebote hält, der ist es, der mich liebt … Wer mich nicht liebt, befolgt meine Gebote nicht.“ (Johannes 14:21, 24)
7. Darin liegt auch der Grund, weshalb es zwei Tafeln des Dekalogs gibt. Die eine bezieht sich auf Gott, die andere auf den Menschen. Gott wirkt unaufhörlich darauf hin, daß der Mensch die auf seiner Tafel stehenden Gebote annehme; denn nimmt er sie nicht an, so stimmt er auch den Geboten auf Gottes Tafel nicht von Herzen zu und wird infolgedessen nicht mit Gott verbunden. Darum hängen die beiden Gesetzestafeln derart zusammen, daß sie eine Einheit darstellen und Tafeln des Bundes heißen; Bund aber bedeutet soviel wie Verbindung. Jeder Mensch erkennt Gott an und wird mit Ihm verbunden je nach dem Guten seines Lebens, weil dieses Gute dem Guten im und vom Herrn ähnelt. Wenn daher der Mensch im Guten des Lebens ist, entsteht eine Verbindung mit dem Herrn. Das Gegenteil tritt ein, wenn der Mensch im Bösen des Lebens ist, da dies den Herrn abstößt.
8. 3.) Das Gute des Lebens bzw. gut leben besteht darin, daß man das Böse aus dem Grunde flieht, weil es gegen die Religion, somit gegen Gott verstößt. Dies ist in der Abhandlung„Die Lebenslehre für das Neue Jerusalem“ von Anfang bis Ende vollständig gezeigt worden. Hier möchte ich nur noch folgendes hinzufügen: Wenn du Gutes im Überfluß tust, sei es, indem du Kirchen baust, sie ausschmückst und mit Gaben bedenkst; sei es, daß du Spitäler und Krankenhäuser finanzierst oder täglich den Armen gibst, Witwen und Waisen beistehst; sei es, daß du fleißig die heiligen Dinge des Gottesdienstes ausübst, und du das alles wie von Herzen denkst, aussprichst und rühmst, dabei aber das Böse nicht deshalb fliehst, weil es Sünde gegen Gott ist, so sind alle diese guten Taten nichts Gutes. Sie werden entweder aus Heuchelei getan oder um sich ein Verdienst bei Gott zu erwerben, jedenfalls liegt in ihnen Böses verborgen. DasLeben jedes Menschen liegt bis in die Einzelheiten hinein in allem, was er tut; und das Gute wird nur dadurch gut, daß das Böse von ihm entfernt wird. Damit ist klar: gut leben heißt, das Böse fliehen, weil es gegen die Religion, d.h. gegen Gott ist.
9. 4.) Darin liegt das allen Religionen Gemeinsame, auf Grund dessen jeder Mensch selig werden kann. Gott anerkennen und das Böse unterlassen, weil es sich gegen Gott richtetdas sind die beiden Dinge, die Religion zur Religion machen. Fehlt eines davon, kann man nicht mehr von Religion sprechen. Gott anerkennen und doch das Böse tun, ist ebenso ein innerer Widerspruch wie Gutes tun und Gott nicht anerkennen; das eine ohne das andere gibt es nicht. Der Herr hat vorgesehen, daß es fast überall auf Erden irgendeine Religion gibt und in jeder diese beiden Erfordernisse bekannt sind. Ferner hat der Herr vorgesehen, daß jeder Mensch, der Gott anerkennt und das Böse deshalb unterläßt, weil es gegen Gott ist, einen Platz im Himmel findet. Denn der Himmel in seinem gesamten Umfang ist das Ebenbild eines einzigen Menschen, dessen Seele oder Leben der Herr ist. In diesem himmlischen Menschen ist alles, was sich auch im natürlichen Menschen findet, freilich mit dem Unterschied, der zwischen dem Himmlischen und Natürlichen besteht.
10. Bekanntlich gibt es im Körper des Menschen nicht nur organische Gebilde aus Blutgefäßen und Nervenfasern, Fleisch (viscera) genannt, sondern auch Häute, Membranen, Sehnen, Knorpel, Knochen, Nägel und Zähne. Diese sind weniger belebt als die eigentlichen organischen Formen und dienen als Bänder, Decken und Stützen. Wenn der besagte himmlische Groß-Mensch, der den Himmel ausmacht, all das auch haben soll, so kann er nicht aus Menschen einer einzigen Religion zusammengesetzt sein, sondern muß Menschen verschiedener Religionen umfassen. Daher haben alle einen Platz in ihm, d.h. im Himmel, wo sie die ihrer Stufe entsprechende Seligkeit genießen, welche die genannten beiden Erfordernisseder Kirche zur Angelegenheit ihres Lebens gemacht haben. Mehr darüber oben in 254.
11. Diese beiden Erfordernisse sind die Hauptsache in jeder Religion, wie man schon daran ersehen kann, daß der Dekalog sie lehrt. Und der Dekalog war das Erste des Wortes, auf dem Berg Sinai von Jehovah mit lauter Stimme verkündigt und von Gottes Finger auf zwei steinerne Tafeln geschrieben. In der Bundeslade niedergelegt, wurde der Dekalog Jehovah genannt. In der Stiftshütte war er das Allerheiligste, im Tempel zu Jerusalem das innerste geheime Heiligtum. Durch ihn allein galt alles andere, was sich dort befand, als heilig. Mehr über die zehn Gebote in der Bundeslade ist aus dem Wort angeführt worden in dem Werk „Die Lebenslehre für das Neue Jerusalem“ 53-61. Dem soll noch folgendes hinzugefügt werden: Im Wort (1 Sam 5; 6) wird beschrieben, wie die Bundeslade mit den beiden Gesetzestafeln von den Philistern geraubt und ins Heiligtum des Dagon zu Aschdod gebracht wurde; wie Dagon vor ihr zur Erde fiel und dann sein Kopf samt beiden Händen abgetrennt auf der Schwelle des Tempels lag, die Bewohner von Aschdod und Ekron aber wegen der Bundeslade zu vielen Tausenden mit Hämorrhoiden geschlagen wurden und Mäuse ihr Land verwüsteten. Ferner wird geschildert, wie die Philister nach dem Rat ihrer Vornehmsten je fünf Nachbildungen von Hämorrhoiden und Mäusen anfertigten und die Bundeslade auf ein neues Fuhrwerk hoben, die Hämorrhoidenund MäuseNachbildungen dazu legten und das Ganze von zwei Kühen, die auf dem Wege brüllten, zu den Kindern Israel zurückbringen ließen.
12. Nun soll gesagt werden, was das alles bedeutet: Die Philister bezeichneten Menschen, die ihren Glauben von der Liebe trennen; Dagon bildete diese religiöse Richtung vor. Die Hämorrhoiden, mit denen sie geplagt wurden, bezeichneten die natürlichen Liebesneigungen, die - getrennt von der geistigen Liebe - unrein sind, die Mäuse die Verwüstung der Kircheinfolge der Verfälschung des Wahren. Das neue Fuhrwerk (plaustrum), auf dem sie die Lade zurückschickten, bildete die neue, aber nur natürliche Lehre vor, bezeichnet doch im Wort der Wagen (currus) eine aus geistigen Wahrheiten bestehende Lehre. Die Kühe stellen natürliche gute Neigungen dar, die Hä- morrhoiden-Nachbildungen aus Gold die gereinigten und gut gewordenen natürlichen Triebe, die goldenen Mäuse die durch Gutes aufgehobene Verwüstung der Kirche, steht doch Gold im Wort für das Gute. Das Brüllen der Kühe auf dem Weg zeigte an, wie schwierig die Umwandlung der bösen Begierden des natürlichen Menschen in gute Neigungen ist. Die Darbringung der Kühe samt dem Fuhrwerk als Brandopfer bezeichnete, daß Gott auf diese Weise versöhnt wurde.
13. Dies also wird unter jener Geschichte im geistigen Sinn verstanden. Man verbinde es zu einem Sinnzusammenhang und wende es an. Im Werk „Die Lehre des Neuen Jerusalems vom Glauben“ sieht man in 49-54, daß durch die Philister Menschen vorgebildet wurden, die ihren Glauben von der tätigen Liebe trennen, und im Werk „Die Lebenslehre für das Neue Jerusalem“ findet man in 53-61, daß die Bundeslade wegen der darin verwahrten zehn Gebote das Heiligste der Kirche war.