380. II. Jeder Glaube, der von diesem allein wahren Glauben abweicht, ist unecht. Er findet sich bei denen, die „anderswo einsteigen“ und den Herrn nicht als Gott, sondern als einen Menschen ansehen.
Es leuchtet ohne weiteres ein, dass jeder Glaube unecht ist, der von dem wahren und einzigen Glauben abweicht; denn was von der einzigen Wahrheit abweicht, ist eben nicht die Wahrheit. Alles Gute und Wahre der Kirche hat seinen Ursprung in der Vermählung des Herrn mit der Kirche, folglich entstammt alles, was seinem Wesen nach Nächstenliebe oder Glaube ist, dieser Ehe. Im Gegensatz dazu entspringt alles, was Nächstenliebe und Glaube nicht aus dieser Ehe haben, gesetzwidrigem Ehebett, ist also entweder Frucht der Vielweiberei oder des Ehebruchs. Jeder Glaube, der den Herrn anerkennt und dabei doch Falsches aus den Irrlehren übernimmt, stammt aus dieser (geistigen) Vielweiberei. Der Glaube, der von drei Herren der einen Kirche ausgeht, stammt aus (geistigem) Ehebruch; entweder ist er nämlich wie eine öffentliche Dirne oder wie ein Weib, das zwar mit einem Mann verheiratet ist, aber die Nächte mit zwei anderen verbringt, von denen sie jeweils den, bei dem sie gerade liegt, ihren Mann nennt. Der Glaube dieser Menschen heißt daher ehebrecherisch, und an vielen Stellen nennt sie denn auch der Herr Ehebrecher oder auch, wie bei Johannes, Diebe und Räuber: „Wahrlich, ich sage euch, wer nicht durch die Tür eingeht in den Schafstall, sondern anderswo einsteigt, ist ein Dieb und ein Räuber … Ich bin die Tür. So jemand durch mich eingeht, der wird selig werden.“ (Johannes 10:1, 9) In den Schafstall eingehen, heißt in die Kirche oder auch in den Himmel eingehen; auch in den Himmel, weil beide eins sind und nichts anderes den Himmel ausmacht als die Kirche in ihm. Deshalb ist der Herr ebenso der Bräutigam und Mann der Kirche wie des Himmels. An den drei oben angeführten Merkmalen – Anerkennung des Herrn als des Sohnes Gottes, als des Gottes des Himmels und der Erde und Anerkennung seiner Einheit mit dem Vater – kann man prüfen und feststellen, ob der Glaube ein legitimes Kind oder ein Bastard ist. So weit also, wie irgendein Glaube von diesen drei wesentlichen Stücken abweicht, ist er unehelich.
Bei denen, die den Herrn nicht für Gott, sondern nur für einen Menschen halten, ist der Glaube sowohl unehelicher als auch ehebrecherischer Natur. Das zeigt sich deutlich an den beiden verabscheuungswürdigen Irrlehren der Arianer und Socinianer, die von der christlichen Kirche verdammt und verbannt wurden, weil sie die Göttlichkeit des Herrn leugnen und anderswo einsteigen. Ich fürchte jedoch, dass diese Greuel heutzutage allgemein verbreitet sind und im Geist der Menschen der Kirche verborgen liegen. Dabei fällt folgendes auf: je stärker einer überzeugt ist, durch Bildung und Urteilskraft über andere hervorzuragen, desto eher ist er geneigt, sich die Vorstellung zu bilden und anzueignen, dass der Herr Mensch und nicht Gott sei und dass er eben deshalb gar nicht Gott sein könne. Aber wer sich diese Vorstellungen aneignet, bringt sich in die Gesellschaft der Arianer und Socinianer, die in der geistigen Welt in der Hölle sind.
Die Ursache für die weite Verbreitung dieser Ideen im Denken der heutigen Angehörigen der Kirche besteht darin, dass jedem Menschen ein Geist beigesellt ist, ohne den er gar nicht folgerichtig, vernünftig und geistig denken könnte, und ohne den er somit gar kein Mensch, sondern ein unvernünftiges Tier wäre. Jeder Mensch zieht sich aber einen solchen Geist herbei, der der Neigung seines Willens und der entsprechenden Auffassung seines Verstandes ähnlich ist. Versetzt er sich nun mit Hilfe der Wahrheiten aus dem Wort und mittels eines ihnen gemäßen Lebens in gute Neigungen, so wird ihm ein Engel aus dem Himmel beigesellt, versetzt er sich hingegen in böse Neigungen, indem er sich auf falsche Anschauungen festlegt und ein böses Leben führt, so gesellt sich ihm ein Geist aus der Hölle bei, und wenn dies einmal geschehen ist, so lässt er sich mehr und mehr in eine Art von Bruderschaft mit den Satanen ein. Infolgedessen bestärkt er sich immer weiter in den Verdrehungen der Wahrheiten im Wort und in den arianischen und socinianischen Greueln gegen den Herrn.
Dies deshalb, weil es allen Satanen unerträglich ist, irgendeine Wahrheit aus dem Wort oder auch nur den Namen Jesu nennen zu hören; wenn es geschieht, werden sie wie die Furien, rennen in höchster Erregung hin und her und brechen in Lästerungen aus. Sobald dann Licht aus dem Himmel einstrahlt, stürzen sie sich kopfüber in Höhlen und in ihre eigene Finsternis; dort haben sie nicht mehr Licht als die Nachteulen im Finstern oder die Katzen in den Kellern, wenn sie den Mäusen nachstellen. So zu werden ist das Los aller derer nach dem Tod, die im Herzen und im Glauben die Göttlichkeit des Herrn und die Heiligkeit des Wortes leugnen; ihr innerer Mensch zeigt diese Beschaffenheit, wie sehr auch der äußere schauspielern und sich als Christ gebärden mag. Ich weiß, dass es so ist, weil ich es gesehen und gehört habe.
Alle, die den Herrn im Herzen und in Gedanken als bloßen Menschen betrachten und nur mit den Lippen als Erlöser und Heiland ehren, sprechen und lehren wie mit honigsüßem Mund, obwohl ihr Herz dabei wie ein Schlauch voll Galle ist. Ihre Worte sind wie Zuckerbrote, ihre Gedanken aber wie Gift, oder auch wie Pasteten, in denen sich Nattern verbergen. Sind solche Menschen Geistliche, ähneln sie Seeräubern, die die Flagge eines im Friedenszustand befindlichen Landes zeigen, die aber, sobald sich ihnen irgendein Schiff vertrauensvoll naht, stattdessen die Räuberflagge aufziehen und sich des Schiffes und seiner Besatzung bemächtigen. Sie gleichen auch den Schlangen vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, die wie Engel des Lichts auftreten und Äpfel dieses Baumes anbieten, die sie rotgelb bemalt haben, als wären sie eben vom Baum des Lebens gepflückt, und dabei sprechen: „Gott weiß, dass welchen Tags ihr davon esset, eure Augen geöffnet werden und ihr sein werdet wie Gott, wissend Gutes und Böses.“ (1 Mose 3:5) Wer aber davon gegessen hat, folgt der Schlange in die Unterwelt, um bei ihr zu wohnen. Im Umkreis der Unterwelt sind auch jene Satane, die von den Äpfeln des Arius und des Socinus gegessen haben.
Eben diese sind es, die unter dem Mann verstanden werden, der die Einladung zur Hochzeit des Königssohnes annahm und ohne hochzeitliches Kleid erschien und deshalb in die äußerste Finsternis geworfen wurde. (Matthäus 22:11-13) Das hochzeitliche Gewand ist der Glaube an den Herrn als den Sohn Gottes, als den Gott des Himmels und der Erde und als den, der eins ist mit dem Vater. Wenn diejenigen, die den Herrn nur mit Mund und Lippen ehren, ihn aber im Herzen und im Geist bloß als Menschen betrachten, anderen ihre Gedanken eröffnen und aufschwatzen, werden sie zu geistigen Menschenmördern, die schlimmsten unter ihnen aber sogar zu geistigen Menschenfressern, hat doch der Mensch sein Leben aus der Liebe und aus dem Glauben an den Herrn. Wird ihm nun das Wesentliche dieses Glaubens und dieser Liebe genommen, nämlich dass der Herr der menschgewordene Gott und der gottgewordene Mensch ist, wird sein Leben in Tod verwandelt. Auf diese Weise wird der Mensch getötet und verschlungen wie das Lamm vom Wolf.